23.11.2010

VfGH kippt Verbot des Verlustvortrags

 
       
       
Verfassungsrichter fordern Reform bei der Besteuerung von Vermietung und Verpachtung. Das hat Folgen für die geplante Besteuerung der Kapitalerträge.

Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat das Verlustvortragsverbot bei außerbetrieblichen Einkünften gekippt. Derzeit können nur Verluste aus betrieblichen Tätigkeiten mit Gewinnen späterer Jahre verrechnet werden, nicht aber etwa solche aus Vermietung und Verpachtung, aus nicht selbständiger Arbeit oder aus Kapitalvermögen. Für den Großteil der Steuerpflichtigen kommt damit ein Verlustvortrag nicht in Betracht. Sie können negative Einkünfte nur mit positiven Einkünften desselben Jahres ausgleichen. Gegen diese Einschränkung hat sich eine Vermieterin an den VfGH gewendet. Sie erzielte jahrelang positive Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Nur durch den Abriss eines Gebäudes resultierte ein einmaliger Verlust. Während Abbruchkosten eines alten Gebäudes früher über die Nutzungsdauer des nachfolgend errichteten neuen Gebäudes abzuschreiben waren, sind diese aufgrund einer geänderten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs nun sofort geltend zu machen.

Die Erfassung zum Abbruchzeitpunkt ist zwar steuersystematisch richtig. Dadurch können sich jedoch erhebliche nicht vortragsfähige Verluste ergeben. Der VfGH hat darin jetzt eine verfassungswidrige Unsachlichkeit erblickt, da nicht nur Ausnahmefälle betroffen sind, sondern bei Vermietungen immer dann hohe Verluste auftreten können, wenn hohe laufende Kosten anfallen oder unvorhersehbare Schäden auftreten (G 35/19).

Reparaturfrist bis Ende 2011

Der VfGH hat dem Gesetzgeber eine Reparaturfrist bis Ende 2011 gesetzt, bevor die Aufhebung in Kraft tritt. Zugleich schlägt der Gerichtshof zwei Möglichkeiten zur Beseitigung der Verfassungswidrigkeit vor. Der Gesetzgeber kann entweder den Verlustvortrag ausweiten oder bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung eine Verteilung außerordentlicher Wertverluste und ungewöhnlicher Kosten vorsehen, um so eine Einkünfteglättung über mehrere Perioden zu erreichen.

Die Nachteile, die sich aus dem Ausschluss eines Verlustvortrages bei anderen außerbetrieblichen Einkünften ergeben können, hat der VfGH nicht berücksichtigt. Für die geplante Neuregelung der Besteuerung von Kapitaleinkünften könnte die aktuelle Entscheidung jedoch richtungsweisend sein. Durch die Abschaffung der Spekulationsfrist sollen Wertzuwächse (z.B. Kursgewinne von Aktien) künftig unabhängig von der Behaltedauer besteuert werden. Verluste sollen jedoch nur mit Gewinnen aus gleichartigen Finanzprodukten ausgeglichen werden können („Verlustboxen“). Auch ein Verlustvortrag wird weiterhin ausgeschlossen.

Bisher sind Verluste nur dann vortragsfähig, wenn das Kapitalvermögen einem Betrieb zugeordnet ist (z.B. Wertpapiere im Betriebsvermögen). Doch selbst dies ist künftig nicht mehr sicher, denn aus dem vorliegenden Gesetzesentwurf, der eine Gleichstellung der Besteuerung von betrieblichen und außerbetrieblichen Kapitaleinkünften beabsichtigt, geht nicht hervor, ob ein Verlustvortrag bei betrieblichen Kapitaleinkünften noch möglich sein wird.

Wenn ein fehlender Verlustvortrag sogar bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, die durch relativ stabile Erträge und begrenzte Verlustmöglichkeiten charakterisiert sind, gleichheitswidrig ist, dann lässt sich unschwer erkennen, wie problematisch ein fehlender Verlustvortrag erst bei Kapitaleinkünften mit oft hohem Risiko ist. Dort ist je nach Situation auf dem Kapitalmarkt mit Gewinn- und Verlustjahren zu rechnen. Nach dem derzeitigen Vorschlag würde der Fiskus bei realisierten Gewinnchancen profitieren, das Verlustrisiko jedoch allein den Steuerpflichtigen überlassen.

Noch dazu verlangt der VfGH bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung die Möglichkeit eines Verlustvortrages, obwohl nur die laufenden Einkünfte, nicht aber die Veräußerung von Mietobjekten außerhalb der Spekulationsfrist der Besteuerung unterliegt. Bei Kapitaleinkünften wird künftig dagegen auch der Vermögenszuwachs besteuert, womit diesbezüglich kein Unterschied mehr zur Besteuerung betrieblicher Einkünfte besteht. Daraus folgt aber, dass auch Unterschiede in der Verlustverwertung nicht mehr gerechtfertigt sind. Allein mit der im Vergleich zum allgemeinen Steuertarif niedrigeren Kapitalertragsteuer (25 Prozent) werden sich die Einschränkungen der Verlustverwertung bei Kapitaleinkünften vor dem VfGH nicht rechtfertigen lassen.

Quelle: DDr. Hermann Peyerl, LL.M., "Die Presse", Print-Ausgabe, 22.11.2010
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